
Entlassungen: Dunkle Wolken über der Schweiz?
Auf der Finanzierungsseite gibt es viele gute Nachrichten aus der Schweiz, doch manchmal sind diese trotzdem gepaart mit dem Hinweis auf Druck zur Kosteneinsparung. So ist es bei ADC Therapeutics SA aus Lausanne. Doch auch die Züricher Molecular Partners vermeldet eine Stellenkürzung, um sich mit allen Mitteln auf die klinische Entwicklung zu konzentrieren. Auch die Gentherapie bei Duchenne Muskeldystrophie der US-amerikanischen Sarepta wirft nach dem Stop der Abgabe des Wirkstoffes durch die FDA Fragen für den globalen (außerhalb USA) Vermarkter Roche auf. Bei dem vielen Licht auf die Schweizer Biotech-Szene, zeigen sich gerade auch die Schattenseiten.
Noch frisch im Lichtkegel steht die im vergangenen Newsletter hervorgehobene Mosanna Therapeutics AG, der eine Finanzierungsrunde von 80 Mio. Euro gelungen war, um einen Wirkstoff gegen die obstruktive Schlafapnoe voranzubringen. Auch die Finanzierungsmeldung der ADC Therapeutics SA aus Lausanne liest sich in den ersten Zeilen noch eher positiv.
ADC Therapeutics SA (NYSE: ADCT) hat soeben den Abschluss von Wertpapierkaufverträgen mit institutionellen Investoren im Rahmen einer privaten Kapitalerhöhung (Private Investment in Public Equity, „PIPE“) in Höhe von 100 Mio. US-Dollar bekannt gegeben. Im Rahmen der Finanzierung sollen 13 Millionen Stammaktien zu einem Preis von 3,53 US-Dollar je Aktie sowie vorfinanzierte Optionsscheine („pre-funded warrants“) zum Erwerb von weiteren 15,7 Millionen Stammaktien zu einem Preis von 3,43 US-Dollar pro Optionsschein ausgegeben werden. Der Bruttoerlös der Transaktion beläuft sich auf rund 100 Mio. US-Dollar vor Abzug von Gebühren und Transaktionskosten.
Die Nettoerlöse sollen vorrangig in die klinische Entwicklung und Vermarktung des ADC-Hauptprodukts ZYNLONTA® fließen, einem ersten zugelassenen ADC-Wirkstoff. Darüber hinaus sollen Mittel für Betriebskapital sowie allgemeine Unternehmenszwecke verwendet werden. Doch dann kommt der Haken an der Geschichte: Neben ZYNLONTA will das Unternehmen zwar sein präklinisches exatecan-basiertes ADC-Programm zur Bekämpfung des prostataspezifischen Membranantigens (PSMA) weiterentwickeln. Gleichzeitig werde aber die Entwicklung weiterer präklinischer Programme in soliden Tumoren eingestellt. Das hat Restrukturierungsmaßnahmen zur Folge: Im Zuge der strategischen Neuausrichtung plant ADC Therapeutics die Schließung seines Standorts im Vereinigten Königreich sowie einen globalen Stellenabbau von rund 30% der Belegschaft. Dieser Restrukturierungsprozess soll bis Ende September 2025 weitgehend abgeschlossen sein. Das Unternehmen rechnet mit einmaligen Restrukturierungskosten in Höhe von 6 bis 7 Mio. US-Dollar, vorwiegend im zweiten Quartal 2025. Damit soll die Liquidität bis ins Jahr 2028 gesichert sein, darüber hinaus erwarte man aus den laufenden Studien mit Zynlonta Ergebnisse, die die Einsatzmöglichkeiten des Wirkstoffes vergrößern.
Restrukturierung auch in Zürich
Ebenfalls auf eine Restrukturierungsmaßnahme konzentriert sich neben der frühen klinischen Entwicklung das Schweizer Unternehmen Molecular Partners AG, Zürich (Nasdaq: MOLN). Das Unternehmen, das eine neue Klasse maßgeschneiderter Proteinwirkstoffe – sogenannte DARPin-Therapeutika – entwickelt, gab bekannt, dass es eine strategische Überprüfung seiner aktuellen Geschäftsaktivitäten und Personalstruktur vorgenommen habe. Im Zuge dieser Überprüfung hat das Unternehmen bereits „das Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich über die Absicht informiert, bis zu 40 Stellen abzubauen“ – was etwa 24% der gesamten Belegschaft entspricht.
„Mit den vielversprechenden Daten zu MP0533 und MP0712 liegt unser Fokus auf der Entwicklung dieser Wirkstoffe, da sie das größte Potential für Patientennutzen und Aktionärswert bieten“, erklärte CEO Dr. Patrick Amstutz, der gleichzeitig auch Präsident der Swiss Biotech Association ist. „Die Anpassung der Unternehmensgröße verlängert unsere finanzielle Reichweite bis ins Jahr 2028 und sichert sowohl die Weiterentwicklung unserer klinischen Programme als auch den Aufbau neuer Produktkandidaten.“ Für die frühe klinische Phase konnte Molecular Partners gerade auf dem 30. Kongress der European Hematology Association (EHA) neue Daten vorlegen. Diese stammen aus der laufenden Phase I/IIa-Studie mit dem tetraspezifischen T-Zell-Engager MP0533 bei Patienten mit rezidivierter/refraktärer akuter myeloischer Leukämie (AML). Drei von acht auswertbaren Patienten (>30%) zeigten bereits nach dem ersten Behandlungszyklus ein klinisches Ansprechen: ein vollständiges Ansprechen (CR) und zwei CRs mit teilweiser hämatologischer Erholung. Zwei Patienten behielten das Ansprechen über drei Monate bei, einer sogar über sechs Monate (Stand: 14. April 2025). Diese Ergebnisse liefern dem Unternehmen nach eine „wichtige Grundlage für die weitere Optimierung des Dosierungsschemas in der laufenden Kohorte 9“.
Roche: Todesfälle bei Gentherapie
Roche (Basel) musste für die Gentherapie ELEVIDYS™ (delandistrogene moxeparvovec) bei nicht-gehfähigen Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) einen Stopp der Abgabe vermelden. Die Einschränkungen gelten sowohl in der klinischen Forschung als auch im kommerziellen Umfeld. Im kommerziellen Bereich dürfen nicht-gehfähige Patienten Elevidys nicht länger erhalten. In laufenden klinischen Studien werden Aufnahme und Dosierung dieser Patientengruppe bis auf Weiteres gestoppt.
Die Entscheidung folgt auf eine sorgfältige Bewertung von zwei Todesfällen infolge eines akuten Leberversagens (ALF) bei nicht-gehfähigen Patienten – eine bekannte, schwerwiegende Nebenwirkung von Elevidys und anderen AAV-basierten Gentherapien. Der daraus resultierende Nutzen-Risiko-Vergleich wurde für diese Patientengruppe als ungünstig eingestuft. Die neuen Beschränkungen betreffen nicht die Behandlung gehfähiger DMD-Patienten jeglichen Alters. Hier bleibt das Nutzen-Risiko-Verhältnis weiterhin positiv, betonte Roche in einer Verlautbarung. Die zwei Todesfälle ereigneten sich unter etwa 140 weltweit mit Elevidys behandelten nicht-gehfähigen Patienten. Bereits nach dem ersten Fall hatten europäische Behörden Roche und Partner Sarepta dazu aufgefordert, klinische Studien mit Elevidys (Studien 104, 302 – ENVOL, und 303 – ENVISION) vorübergehend zu unterbrechen. Diese Unterbrechungen bleiben weiterhin bestehen. Auch außerhalb Europas werden Dosierungen im Rahmen der ENVISION-Studie ab sofort pausiert. Gleiches gilt für alle zukünftigen kommerziellen Anwendungen bei nicht-gehfähigen Patienten.
Duchenne-Muskeldystrophie ist eine seltene, genetisch bedingte Muskelerkrankung, die meist schon im frühen Kindesalter rasch fortschreitet. Fast ausschließlich Jungen sind betroffen (etwa 1 von 5.000 Geburten). Im Verlauf verlieren alle Betroffenen die Gehfähigkeit sowie zunehmend auch die Funktion von Armen, Herz und Lunge.
Seit 2019 besteht eine globale Kooperation zwischen Roche und Sarepta Therapeutics zur Vermarktung von Elevidys außerhalb der USA. Die Unternehmen führen die klinischen Studien gemeinsam durch, wobei Roche Sponsor der ENVOL-Studie ist, während Sarepta die übrigen Studien verantwortet. Elevidys ist aktuell in acht „Roche-Märkten“ zugelassen, darunter Bahrain, Brasilien, Israel, Japan, Kuwait, Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Kooperation hatte sich Roche upfront rund 750 Mio. US-Dollar kosten lassen, weitere rund 400 Mio. US-Dollar setzte Roche vertragsgemäß ein, um Firmenanteile an Sarepta zu erwerben. Die Duchenne-Gentherapie bildet den Nukleus um das verstärkte Engagement von Roche in diesem technologischen Feld mit zusätzlichen hohen Millioneninvestitionen für eigene Produktions- und weitere Forschungszentren.
Nach viel Licht auf das Schweizer Biotech-Ökosystem, hat sich nun eine Nachrichtenmelange eingefunden, die die Schattenseiten der riskanten klinischen Entwicklung neuer Therapeutika nach vorne schiebt. Hoffentlich nur vorübergehend.